Editorial

Die feministische Kritik hat nach einem jahrzehntelangen Anlauf nun endlich auch die Außenpolitik erfasst. Wer außen- und sicherheitspolitisch nicht den Anschluss verlieren möchte, sollte sich daher mit den Schlagworten dieses neuen Paradigmas vertraut machen.

Aus unserem Dossier "Feministische Außenpolitik".

Die feministische Kritik hat nach einem jahrzehntelangen Anlauf nun endlich auch die Außenpolitik erfasst. Wer außen- und sicherheitspolitisch nicht den Anschluss verlieren möchte, sollte sich daher mit den Schlagworten dieses neuen Paradigmas vertraut machen: gleiche Rechte, gleicher Anspruch an Ressourcen und politischer Repräsentation, gleiche Entscheidungsmacht.

Feministische Außenpolitik ist sowohl akademische Theorie wie politische Praxis: Sie repräsentiert den Anspruch an eine gerechtere und friedlichere Außenpolitik ebenso wie die Kritik an der generellen Ungleichbehandlung der Geschlechter in fast allen Aspekten der Sicherheitspolitik. Und wie bei jedem emanzipatorischen Projekt, liegt ihre Essenz im Auge der Betrachterin.

Daher maßen wir uns nicht an, zu definieren, was feministische Außenpolitik ist und was sie sein soll, sondern wollen dieses aufstrebende Paradigma der Außenpolitik mit unseren Partnerinnen und Partnern „von unten“ erzählen:

Was bedeutet etwa feministische Außenpolitik in Ländern des Südens, in patriarchalisch geprägten Gesellschaften, in Kontexten fragiler Staatlichkeit? Welchen Anteil hatten Frauen an der Beendigung des kolumbianischen Bürgerkrieges? Und wo liegen die Grenzen für zivilgesellschaftliche Akteurinnen in Myanmar, den innerburmesischen Friedensprozess mitzugestalten?

Wie entwickelt sich im Gegensatz dazu der Diskurs zur UN-Resolution 1325 („Frauen, Frieden und Sicherheit“) in der westlichen Welt, vor allem bei den Pionierländern der feministischen Außenpolitik Kanada und Schweden? Welche Chancen bietet Deutschlands nichtständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat 2019-20, die Forderungen dieser Resolution in die UN-Debatten einzuspeisen?

Zu unserem multiperspektivischen Ansatz gehört nicht nur die regionale Diversität des feministischen Sicherheitsdiskurses, sondern auch seine historische Dimension. Wir wollen neben den Länderstudien auch eine kurze Zeitreise zu den Anfängen des feministischen Engagements in der Außen- und Sicherheitspolitik unternehmen. Wir wollen insbesondere unsere wichtigsten Meilensteine im Selbstfindungsprozess in diesem Themenfeld rekonstruieren und damit einen kleinen Beitrag zur „grünen Erzählung“ leisten.

Unser Webdossier erscheint in einer Zeit zweier interessanter globaler Trends: Einerseits hat es die feministische Außenpolitik – wenigstens auf der deklaratorischen Ebene – in den Mainstream der Sicherheitspolitik geschafft und es scheint, dass die Tage einer männerdominierten staats- und herrschaftszentrierten Außenpolitik möglicherweise zu Ende gehen. Andererseits erleben wir auf globaler Ebene einen anti-feministischen Backlash und das Erstarken anti-emanzipatorischer Kräfte, sowie den Rückfall der Großmächte in alte archaische Muster der Machtpolitik mit allen zugehörigen Elementen des Nationalismus, Militarismus und einer teilweise grotesken Überhöhung von Männlichkeit – man denke nur an Trump, Putin oder Kim Jong-un.

In diesen politisch unruhigen Zeiten möchten wir mit unserem Dossier Mut machen und auf das Engagement unzähliger Aktivistinnen für eine gerechtere Außenpolitik hinweisen –  auf das, was erreicht wurde, und das, was noch erkämpft werden muss. Wir bieten interessante Geschichten an über die Hoffnungen für eine bessere, gerechtere und friedlichere Außenpolitik als wir sie heute haben.